Montag, 25. August 2008

Die fünfte Jahreszeit

Viele Texte lese ich einmal und damit hat es sich. Es gibt eine grosse Ausnahme. Er ist so unglaublich schön, dass ich ihn jedes Jahr erneut lesen muss, ungefähr um die gleiche Jahreszeit - nämlich jetzt:

" ... Wenn der Sommer vorbei ist und die Ernte in die Scheuern gebracht ist, wenn sich die Natur niederlegt, wie ein ganz altes Pferd, das sich im Stall hinlegt, so müde ist es - wenn der späte Nachsommer im Verklingen ist und der frühe Herbst noch nicht angefangen hat -: dann ist die fünfte Jahreszeit.
Nun ruht es. Die Natur hält den Atem an; an andern Tagen atmet sie unmerklich aus leise wogender Brust. Nun ist alles vorüber: geboren ist, gereift ist, gewachsen ist, gelaicht ist, geerntet ist - nun ist es vorüber. Nun sind da noch die Blätter und die Gräser und die Sträucher, aber im Augenblick dient das zu gar nichts; wenn überhaupt in der Natur ein Zweck verborgen ist: im Augenblick steht das Räderwerk still. Es ruht.
Mücken spielen im schwarz-goldenen Licht, im Licht sind wirklich schwarze Töne, tiefes Altgold liegt unter den Buchen, Pflaumenblau auf den Höhen ... kein Blatt bewegt sich, es ist ganz still. Blank sind die Farben, der See liegt wie gemalt, es ist ganz still. Boot, das flußab gleitet, Aufgespartes wird dahingegeben - es ruht.
So vier, so acht Tage –
Und dann geht etwas vor.
Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar nichts geändert - und doch alles. Es geht wie ein Knack durch die Luft - es ist etwas geschehen; so lange hat sich der Kubus noch gehalten, er hat geschwankt..., na ... na ..., und nun ist er auf die andere Seite gefallen. Noch ist alles wie gestern: Die Blätter, die Bäume, die Sträucher ... aber nun ist alles anders. Das Licht ist hell, Spinnenfäden schwimmen durch die Luft, alles hat sich einen Ruck gegeben, dahin der Zauber, der Bann ist gebrochen - nun geht es in einen klaren Herbst. Wie viele hast du? Dies ist einer davon. Das Wunder hat vielleicht vier Tage gedauert oder fünf, und du hast gewünscht, es solle nie, nie aufhören. Es ist die Zeit, in der ältere Herren sehr sentimental werden – es ist nicht der Johannistrieb, es ist etwas andres. Es ist: optimistische Todesahnung, eine fröhliche Erkenntnis des Endes. Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre.

Es ist die fünfte und schönste Jahreszeit."


Kurt Tucholsky alias Kaspar Hauser, Die Weltbühne, 22.10.29 (Auszug).




Dienstag, 5. August 2008

Es ladet der See zum Bade

Seit kurzem nenne ich ein GA mein Eigen. Das bedeutet freie Fahrt: ich kann in der Schweiz so viel mit dem Zug, Bus, Tram und Schiff fahren wie ich will. Und natürlich ist das verlockend, wenn die Sonne an einem freien Tag so herrlich scheint. Der Entscheid ist schnell gefasst: heute gehts an den Lac Léman - in der Schweiz meine absolute Number One Region. Ziel ist ein kleiner Badeplatz mit direktem Bahnanschluss UND Schiffanlegesteg. Neben meinem Strickzeug (jaaaa, die langsame Jacke war auch mit dabei) habe ich auch eine kleine Kamera im Gepäck. Hier ein paar Impressionen von meinem kleinen Sommerausflug:


Das Wichtigste in die Tasche gepackt und ab in den Zug,




... der Neuenburgersee saust vorbei ...



... und schon bald breitet sich der unvergleichliche Lac Léman und das Lavaux vor mir aus. Mit meiner Begeisterung für diese wunderschöne Gegend befinde ich mich in guter Gesellschaft: Igor Strawinsky, Charles Chaplin, Audrey Hepburn, Clara Haskil und last but not least auch Kaiserin Sissi teilten sie ...


Das Ziel ist erreicht: ein winzig kleiner Badeplatz ... vom Perron sind es nur ein paar Schritte bis zum Ufer. Nach einem erfrischenden Bad im See besteige ich etwas später den Raddampfer Montreux , der mich zurück nach Lausanne bringen wird.











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